Die Acht der Münzen / Der Ritter der Stäbe (8. Teil)

Seit einem Monat war Lizzys Café nun eröffnet und sie konnte sich nicht über zu wenig Arbeit beklagen. An diesem Samstag war besonders viel Betrieb. Tammy und Olaf wurden von den Gästen mit Streicheleinheiten verwöhnt.

An diesem Tag fiel ihr ein Gast besonders auf. Er saß alleine in der Ecke und beobachte sowohl die Katzen als auch sie. Seine dunklen Haare und die dunklen Augen betonten seine mysteriöse Ausstrahlung. Lizzy fand ihn durch und durch attraktiv. Sie war länger nicht mehr aus gewesen, sodass sie diese Form der Aufmerksamkeit eines Mannes fast vergessen hätte. Das machte ihn nur noch attraktiver für Lizzy.

Da Samstag war, blieben viele Gäste länger im Café als unter der Woche. Erst nach elf Uhr verließen die letzten Gäste das Café, während sich Tammy und Olaf im Kratzbaum schlafen legten.

Nur der mysteriöse Mann war geblieben.

„Sie haben keinen Freund“, sprach er sie schließlich an. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, weshalb Lizzy nichts erwiderte.

„Ich möchte Sie einladen. Um die Ecke kenne ich eine gute Bar.“ Lizzy spürte ein leichtes Flattern in ihrer Brust.

„Momentan habe ich viel zu tun. Mit dem Café…. Vielleicht in den nächsten Wochen mal.“

„Nein, ich meine jetzt.“

„Oh.“ Lizzy wurde leicht rot. Das war ein ziemlich spontanes Date. Ihr letztes Treffen mit einem Mann lag bereits mehr als ein halbes Jahr zurück. Der Gedanke an ein Treffen mit diesem Mann nahm ein nervöses Ziehen im Bauch nach sich.

„Okay, gerne“, stimmte sie schließlich zu.

„Ich muss hier aber noch etwas aufräumen.“ Ihre Mitarbeiterin Gina hatte die Szene beobachtet und grinste sie vielsagend an. Lizzy wurde ein wenig zittrig, während sie die letzten Tassen abräumte. Beinahe wäre ihr eine Tasse aus der Hand gefallen.

„Ich mache den Rest“, sagte Gina zu ihr. Sie konnte Lizzys steigernde Nervosität nicht weiter mitansehen.

„Danke“, sagte Lizzy leise. Dann drehte sie sich um und zog ihren Mantel an. Der mysteriöse Mann wartete bereits vor der Türe auf sie. Als sie hinaustrat, traf ein kalter Windhauch ihr Gesicht. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu der Bar.

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4. Brief an die Liebe meines Lebens

Liebe meines Lebens,

ich sehe um mich herum Beziehung wieder und wieder in die Brüche geben. Menschen, die versuchen längst zerbrochene Glasscherben aufzusammeln, nur um sich daran zu schneiden. Das Blut fließt. Der Schmerz setzt erst später ein.

Bei Trennungen verliert man auch immer ein Teil seines Selbst. Es geht nur selten um den Anderen. Vielmehr ist es das eigene Herz, welches sich fragt, warum es nicht geliebt wird. Ist man denn nicht liebenswert genug?

Ich frage mich, ob ich dich überhaupt in mein Leben lassen würde, wenn ich dir jetzt über den Weg laufen würde. Denn meine Angst ist groß, dass meine Selbstliebe nicht stark genug für dich ist. Wenn ich dich verliere, würde ich dann zusammenbrechen?

Um die Zukunft zu verstehen, muss man in die Vergangenheit blicken. Die Antworten der Zukunft sind in der Vergangenheit zu finden. Ich erinnere mich daran, wie ich einst dachte, mein Leben ginge an einer Stelle nicht weiter. Es war die Schwelle, die Feuerprobe, die ich überwinden musste. Liebe und Verlust, Leben und Tod, alle Gegensätze hängen eng miteinander zusammen. Am Ende erkennt man den Sinn dahinter.

Ich sehe wie sich Menschen immer wieder verlieren. Erinnere mich an meinen eigenen Selbstverlust. Aber nach jedem Selbstverlust folgt die Selbstfindung. Heute weiß ich, wer ich bin. Doch ein kleiner Teil in mir hat Angst. Angst davor, sich in deiner Gegenwart wieder selbst zu verlieren.

Jeder von uns trägt die Stärke in sich diese Dinge zu überwinden und dieser Gedanke gibt mir die Kraft, das Vertrauen in die Liebe aufrechtzuhalten. Denn die Liebe ist auch immer eine Hoffnung. Darauf, die Dinge in einem besseren, guten Licht zu sehen und dieses warme, tiefgründige Gefühl zu teilen. Jeder trägt diese Liebe bereits in sich. Man muss sie nur erkennen. Auch bei einer Trennung verschwindet sie nicht, sie wird nur von der zweitweisen Traurigkeit verdeckt. Schiebt man die Traurigkeit beiseite, befindet sich darunter die Liebe, die man ständig bei anderen Menschen sucht. Dabei liegt sie bereits in einem Selbst drin. Man muss sie nur erkennen.

Trägst du auch diese Angst in dir? Oder wirst du mich vielleicht einfach furchtlos an die Hand nehmen und mir zeigen, dass meine Ängste unbegründet sind?

In Liebe

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Die Königin der Kelche (7. Teil)

Quelle: A.E. Waite Tarot

Lizzy streichelte Olafs Rücken, während er zusammengerollt neben ihr auf dem Sofa lag. Im Fitzgerald waren am Dienstagmorgen nur die ältere Dame Patty und ein weiterer Gast im Laden.

Patty bat Lizzy, ihr Gesellschaft zu leisten, während sie gemütlich ihren entkoffeinierten Kaffee trank.  Lizzy setzte sich zu ihr. Als sie Olaf streichelte, merkte sie wie eine warme Welle ihren Körper durchfuhr. Das Café, die Katzen, ihre Gäste. Sie hatte alles, was sie sich erträumt hatte.

„Hast du einen Freund?“, fragte die ältere Dame Patty sie direkt. Lizzy hatte bereits bemerkt, dass Patty nie lang drum herumredete.

„Nein“, schüttelte Lizzy leicht den Kopf. Patty schaute sie geradewegs an, während sie noch einen vorbereitenden Schluck trank. Lizzy ahnte bereits, dass ihr Patty wieder eine Geschichte aus ihrem Leben erzählen würde.

„Ich hatte mehr als einen. Einer blieb mir besonders in Erinnerung: mein erster Freund Richard. Wir waren so jung und verliebt. Es war eine verbotene Liebe, zumindest tolerierten meine Eltern ihn nicht als meinen Freund. Er fuhr Motorrad, schwänzte die Schule, war ein allgemeiner Problemjunge. Nichts, was man sich für eine vornehme Tochter aus einem Juristenhaus vorstellte. Also verbaten sie mir, mich mit ihm zu treffen. Ich, junges Ding, tat es trotzdem heimlich. Meine frühere beste Freundin Luise stand für mich ein und behauptete ich sei bei ihr. Bis eines Nachts mein Vater ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Meine Mutter wollte mich bei Luise abholen. Aber ich war nicht da. Luise gestand ihr, nachdem sie erfahren hatte, was passiert war, bei wem ich war. Meine Mutter holte mich bei Richard ab. Während wir ins Krankenhaus fuhren, sprach sie kein Wort mit mir.

Im Krankenhaus ging es meinem Vater wieder besser. Er hatte einen kurzen Herzanfall erlitten, lebte danach noch weitere sieben Jahre, bevor sein Herz komplett versagte.

Seit dieser Nacht verbaten mir meine Eltern , außer zur Schule hin und zurück, das Haus zu verlassen.

Ich erinnerte mich noch, wie wütend ich darüber war. Als mein Vater aus dem Krankenhaus wieder nach Hause gekommen war, lief ich in jener Nacht weg. Ich lief zu Richard und sagte ihm, wir sollten abhauen. Er strich mir meine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie fiel mir damals öfters ins Gesicht und er strich sie jedes Mal wieder zur Seite.

Er sagte, in Ordnung. Wir fuhren mit dem Motorrad Stadt um Stadt. Sieben Tage lang. Es war Sommer und wir übernachteten unter freiem Himmel.

Am siebten Tag fielen wir an der Landesgrenze auf. Meine Eltern hatten eine Vermisstenanzeige aufgegeben, sodass sie mich meldeten.

Danach war das Zuhause ein bloßes Gefängnis für mich. Richard wurde zum Zivildienst eingezogen und wir sahen uns nie wieder.

Ich hatte mehr als einmal versucht ihn zu finden, aber vergeblich. In seinem Haus, wo er alleine mit seiner Mutter gelebt hatte, wohnte bereits jemand anderes. Er war aus meinem Leben verschwunden.“

Lizzy, die gebannt zugehört hatte, wurde schwer ums Herz.

„Nie wieder?“, fragte sie wehmütig. Sie dachte an ihr eigenes Schicksal. An den Mann aus dem Café.

„Nur einmal. Ich ging an der Straße entlang und er ging auf der anderen Straßenseite. Ich hielt Hand mit meinem damaligen Ehemann. Ob er mich auch gesehen hat, weiß ich nicht. Nach unserer gemeinsamen Reise hatten wir nie wieder ein Wort miteinander gewechselt.“

Lizzy fiel es schwer, dieses Ende zu akzeptieren.

„Wir sollten ihn finden.“ Patty schüttelte den Kopf.

„Nein. Wahrscheinlich ist er verheiratet. Vielleicht auch schon gestorben. Nicht alle Pfade führen wieder zueinander. Manche Pfade im Leben sind dafür bestimmt sich nur einmal zu kreuzen. Unser Zeitpunkt liegt bereits weit zurück in der Vergangenheit.“ Patty nahm den letzten Schluck aus ihrer Tasse. Dann kramte sie aus ihrer kleinen lackroten Tasche ihr Portmaine und legte einen Schein auf den Tisch, bevor sie aufstand.

„Stimmt so. Ich komme die Tage wieder.“ Dann verschwand sie durch die Tür in den Gang, der schließlich zur Ein- und Augangstür führte.

Lizzy dachte noch eine Weile über Pattys Geschichte nach, während sie anfing Olaf am Hals zu kraulen, was er mit einem entspannten Kopfstrecken entgegennahm.

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Iron Man

Der erfolgreiche Waffenmogul Toni Stark steht am Anfang des Films mit seinem Unternehmen Stark Industries im Fokus. Toni Stark wird als „amerikanischer Patriot“ bezeichnet, was durchaus als eine Analogie zu Captain America zu verstehen ist.

Toni Stark wird anfangs als Held dargestellt, da er im Namen seiner Firma für den amerikanischen Staat Waffen herstellt. Hier kommt vor allem der Patriotismus zum Vorschein. Dies wirft die Frage auf, ob es gerechtfertigt ist zu töten, wenn dies unter dem Namen einer Nation stattfindet. Das Töten von Einzelpersonen wird im Regelfall bestraft, u.a. durch Freiheitsentzug. Das Töten im Krieg gilt hingegen als ehrenhaft und die Abzeichen der sogenannten „Kriegshelden“ zeigen diese Form der Ehrung. Doch kann der Patriotismus nicht auch als Legitimation zu Töten verstanden werden? Ist es wirklich richtig zu töten nur weil man auf der anderen Seite steht?

Im Film werden beide Seiten beleuchtete. Toni Stark wird am Anfang von den Amerikanern als Held bezeichnet, weil er für sie Waffen produziert und dies durch die Friedenssicherung begründet. Als Toni Stark von den Terroristen in Afghanistan geschnappt wird, bezeichnen diese ihn als den „berühmtesten Massenmörder in der Geschichte Amerikas“. Es zeigt wie unterschiedlich die jeweiligen Kriegsparteien den Menschen Toni Stark wahrnehmen.

Als Argument, warum Toni Stark ein Held sei wird die Begründung genannt, dass seine Waffen den Frieden sichern. Doch können Waffen wirklich Frieden sichern? Wie würde eine Welt ohne eine einzige Waffe aussehen? Wäre sie nicht friedlicher? Ist es nicht so, dass je mehr Waffen es gibt, desto mehr Gewalt? Und je mehr eine Nation an Waffen besitzt, desto mehr wird sie als Bedrohung empfunden, weshalb die anderen Nationen aufrüsten, um sich vor dieser Nation zu schützen und ein Gefühl der Sicherheit zu suggerieren. Dabei handelt es sich doch nur um einen scheinbaren Frieden und nicht um einen wirklichen Frieden, da der jeweils andere immer als eine Bedrohung empfunden wird. Ein abrüstendes Miteinander würde hierbei vielmehr den Frieden sichern.

Die Firma Stark Industries braucht den Krieg, um ihr Geschäft am Laufen zu halten, zumindest mit dem anfänglichen Schwerpunkt auf Waffenproduktion. Die Firma wird als Friedenssicherer dargestellt, ist aber der eigentliche Kriegstreiber. Man könnte das Argument anführen, wenn man selbst keine Waffen produziert, machen es andere. Durchaus würde dies wahrscheinlich geschehen, berechtigt aber nicht die Verantwortung, die auf der Schulter von Stark Industries lastet. Man würde ja auch nicht Stehlen nur weil andere Menschen es machen.

Zu dem Thema Verantwortung äußert sich Toni Stark nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft, in dem er betont, dass er und seine Firma ab sofort Verantwortung übernehmen möchte. Zuvor wurde er beinahe von seiner eigens entwickelten Waffe, die seine Firma produziert hatte, getötet. Seine eigene Lieferkette war für ihn ein Kreislauf des Todes geworden.

Vor diesem Ereignis betont er, dass er ohne Krieg arbeitslos sei. Er stellt sein eigenes wirtschaftliches Interesse vor anderen ethischen Standpunkten. Doch ist das überhaupt gerechtfertigt? Sollte ein Mensch seine eigene wirtschaftliche Stellung vor seinen moralischen Prinzipien stellen? An dieser Stelle kann man als Kantianer einwenden, dass es nicht die oberste für alle allgemeingültige Maxime sein soll, wirtschaftliche vor moralische Prioritäten zu setzen. Denn wo würde die Gesellschaft hinkommen, wenn die moralischen Prinzipien hinter wirtschaftlichen Interessen stehen würden? Würde dann nicht, dass was wir als „Menschlichkeit“ bezeichnen, verloren gehen?

Die Erfahrung durch seine eigens hergestellte Waffe beinahe ums Leben zu kommen, veranlasst Toni Stark zu einem Umdenken. Er beschließt die Waffenproduktion von Stark Industries nach seiner Rückkehr einzustellen, da er verantwortungsbewusst handeln möchte. Was heißt das genau? Man möchte meinen, dass an dieser Stelle Toni Stark zum Pazifisten geworden ist, der jegliche Waffengewalt ablehnt. Er möchte an dieser Stelle nicht die Verantwortung übernehmen müssen, dass durch seine Waffen Menschen ums Leben kommen.

Trotzdem entwickelt er einen Anzug von dem er behauptete, er sei keine Waffe. Es zeigt sich jedoch, dass der Anzug durchaus Waffen besitzt. Mit seinem Anzug kämpft er gegen die „bösen“ Terroristen und rettet die Zivilbevölkerung eines Dorfes in Afghanistan. Somit ist der Pazifismus von Toni wieder entkräftet und das Argument eine Waffe zur Sicherung der Zivilbevölkerung tritt wieder ins Spiel. Er wird an dieser Stelle als Held empfunden, jedoch tritt an dieser Stelle wieder die heroische Metaphorik des Kämpfers hervor, wodurch das Töten wieder legitimiert wird. Somit scheint ein Held auch immer ein Mensch zu sein, der für das Erreichen seines Ideals das Sterben anderer Menschen in Kauf nimmt.

Hierbei stellt sich die Frage, ob es eine Unterscheidung zwischen Gut und Böse überhaupt gibt, die häufig als Begründung zum Töten genutzt wird. Die „guten“ Menschen töten im Kampf die „bösen“ Menschen und werden damit zum Helden. Doch gibt es überhaupt eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „bösen“ Menschen oder ist es nicht eher eine Sache der Perspektive? Das Beispiel Toni Stark zeigt die Ambivalenz dieser begrifflichen Unterscheidung. Er ist auf der einen Seite Held, auf der anderen Seite Massenmörder. Auch als Iron Man tötet er Menschen, was er mit dem Schutz andere Menschen begründet. Somit hat er sich von seinem grundlegenden moralischen Glaubenssatz von Anfang hin zum Ende des Films gar nicht so weit distanziert, wie es auf den ersten Blick scheint.

Verklärte Helden und mystifizierte Bösewichte gehören zu der Grundstruktur der meisten Superheldenfilme, wobei sich ihre Handlungsweisen sehr ähneln. Der einzig große Unterschied zwischen ihnen liegt in ihrer Zielsetzung, wonach sie mit ihren Handlungen hinstreben: Der Held strebt nach dem Guten für den Großteil der Menschen, während der Böse meist auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Wie diese unterschiedlichen Ziele erreicht werden, ist jedoch ähnlich, da bei beiden Seiten das Töten als Mittel zum Zweck verwendet wird.

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Die Philosophie in Marvel

Einleitung

Nach welchen ethischen und moralischen Prinzipien handeln eigentlich Superhelden?

Mit dieser Frage werde ich mich in der folgenden Reihe auseinandersetzen, wobei ich mich hierbei auf die Marvelsuperhelden und ihre Handlungsweisen in den jeweiligen Filmen beziehen werde.

Viel Spaß beim Lesen!

Der Narr (6. Teil)

Quelle: A.E. Waite Tarot

Lizzy ging in die Regalreihe mit den Nudeln. Wochentags war der Supermarkt relativ leer, weshalb sie gerne in ihrer Pause einkaufen ging. Als sie mit ihrem Einkaufskorb in der Hand in die Reihe einbog, sah sie kurz das Profil eines Mannes am Ende des Ganges. War das etwa…?

Bevor Lizzy ihn deutlich erkennen konnte, hatte er sich bereits weggedreht und war hinter der Ecke verschwunden.

Nur das nervöse, aufgeregte Gefühl in Lizzys Fingerspitzen war geblieben. Einen Moment blieb sie dort stehen bis ihr bewusst wurde, was sie tun wollte.

Ohne Nachzudenken lief sie los. Sie bog um die Ecke, konnte ihn aber nirgends ausfindig machen. Sie lief zur Kasse an der er gerade bezahlt hatte, während die Silhouette jenes Mannes aus dem Supermarkt trat. Die Helligkeit des Sonnenlichtes ließ ihn dorthinein verschwinden. Lizzy ging mit ihren Korb an der Kasse vorbei ohne zu bezahlen und merkte gar nicht, wie die Kassiererin sie auf ihr Vergehen aufmerksam machte. Erst das laute Piepen ließ Lizzy wieder zurück in die Gegenwart kommen.

Der Mann war bereits verschwunden.

Erstarrt blieb Lizzy stehen.

„Es tut mir leid, ich wollte nicht…“, fing Lizzy an sich zu entschuldigen. Die Kassiererin schien keinen guten Tag zu haben.

„Fred, zur Kasse bitte!“, ließ sie durchsagen.

Fred schien im Gegensatz zu seiner Kollegin einen besseren Tag zu haben. Zumindest hatte er Verständnis für Lizzy und ihre Geschichte, während sie ihm diese im Geschäftszimmer ausführlich erzählte.

„Ich wollte ihn nur wiederfinden.“ Fred sah sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Mitleid an, während sie ihm die Geschichte von ihrem Traummann erzählte, mit dem sie noch nie ein Wort gewechselt hatte.

„Sie erinnern mich an meine Tochter. Sie heiratet nächste Woche. Es kommt mir gar nicht vor, als sei sie in dem Alter, wo sie schon heiraten würde, dabei ist sie schon siebundzwanzig Jahre alt. Genauso leidenschaftlich und hoffnungslos romantisch wie Sie. Sie hat mir die weiche Seite der Liebe gezeigt. Und wenn ich Ihre Geschichte höre, denke ich mir die ganze Zeit: Das hätte meine Tochter sein können. Ich werde Sie gehen lassen und die Sache auf sich beruhen lassen.“ Lizzy atmete erleichtert auf.

Sie stand auf und wandte sich zum Gehen zu, als Fred sie stoppte.

„Warten Sie. War das der Mann, den Sie suchten?“, fragte Fred und zeigte ihr ein Bild von einer Überwachungskamera, das auf seinem PC-Bildschirm aufflackerte. Es war die Aufnahme des Mannes, dem Lizzy hinterhergelaufen war. Lizzy musste sich anhalten, sich nicht darauf zu stürzen. Als sie das Bild genauer betrachtete, merkte sie wie ihre Schultern sanken.

„Nein“, schüttelte Lizzy den Kopf.

„Schade. Beim nächsten Mal“, erwiderte Fred.

Dann verabschiedeten sie sich endgültig und verließ den Supermarkt.

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Ass der Kelche (5.Teil)

Quelle: A.E. Waite Tarot

Lizzy gab ihren Traum nicht auf. Was würde noch von ihr übrig bleiben, wenn sie es nicht wenigstens versuchen würde?

Als sie den Kredit bei der Bank beantragte, war sie sich am Anfang nicht sicher, ob die Bank diesen genehmigen würde. Doch sie tat es.

So kam es das Lizzy an diesem Tag im Tierheim stand und die kleine Tammy sie mit ihren winzigen Knopfaugen anstarrte. Lizzy brauchte keine zwei Sekunden, um sich in dieses kleine Kitten zu verlieben. Ihr helles Miauen, ihr schwarzes Fell und der süße Blick, der Lizzy zuflüsterte Nimm mich, ließen Lizzy keine Sekunde zweifeln, dass sie Tammy für ihr Café mitnehmen würde.

Auch der kleine, weiße Kater, der nur einen kleinen schwarzen Fleck am Hals hatte, eroberte sofort ihr Herz. Sie taufte ihn auf den Namen Olaf.

Es dauerte nicht lange und schon war ihr erster Eröffnungstag. Sie hatte zuvor die Werbetrommeln in der Stadt geschwungen, sodass einige Leute kamen. Lizzy musste den Gedanken beiseiteschieben, ihre zufällige Begegnung aus dem Café könne dort erscheinen. Tat sie nicht. Trotzdem lernte sie viele Menschen kennen. Besonders die ältere Dame Patricia, die betonte sie wolle nur Patty genannt werden, schloss sie sofort in ihr Herz.

„Deine Katzen sind ein Traum. Sie erinnern mich an meinen früheren Kater Felix. Er schlief immer an derselben Stelle. Ich hatte mir damals ein paar neue Winterstiefel geholt und als ich nach Hause kam, sie auspackte und den Karton kurz abstellte, beschlagnahmte er ihn sofort. Seitdem schlief er bis zu seinem Lebensende jede Nacht dort drin.“ Patty erzählte mit einer so tiefen Verbundenheit zu ihrem Kater und seiner Geschichte, dass es schlichtweg Lizzys Herz berührte.

„Wie lange ist das her?“, fragte Lizzy.

„Im Sommer vier Jahre. Seitdem habe ich mir keine neue Katze mehr zugelegt“, erklärte mir Patty, während sich Tammy neben ihr auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte und von Patty gekrault wurde.

Am Ende des Tages war Lizzy ganz ausgelaugt. Ihr Mitarbeiterin Gina half ihr beim Aufräumen. Lizzy schaute Tammy und Olaf an, die beide nebeneinander im Körbchen schliefen und musste lächeln.

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Der Stern, Fünf der Schwerter (4.Teil)

Lizzy sah Marco nicht wieder. Statt ihr Scheitern zu beklagen stürzte sie sich auf ihre Businessidee. Der Traum eines eigenen Cafés. Nicht irgendein Café. Es sollte ein Katzen- und Literatur Café werden, indem man neben Büchern aus den Schränken auch Katzen streicheln konnte. Abgerundet würde dieses Erlebnis durch ein leckeres Getränk aus der Speisekarte. Sie würde es Fitzgerald nennen.

Lizzy entwarf gerade ihren Finanzplan. Frustriert legte sie ihn auf die Seite ihres Schreibtisches, der in ihrem Wohnzimmer stand. Sie sah sich dort um und Zweifel kamen auf. Das Geld für die Miete reichte noch für zwei Monate, bevor sie endgültig hier raus musste, wenn sie ihren Traum nicht verwirklicht bekam.

In ihrem alten Job als Flugbegleiterin wurde sie von der ersten Kündigungswelle getroffen. Sie war erst eineinhalb Jahre dort gewesen und somit die Neue, weswegen sie auch von der ersten Stellenkürzung betroffen war.

Als sie ihre Kündigung in der Hand hielt fühlte sie die Sorgen wie ein Ziehen in ihrer Brust. Es wurde von dem Gefühl der Erleichterung übertrumpft. Sie hatte sich nie vorstellen können, dass das für immer ihr Leben sein sollte. Der Grund, warum sie es als Chance sah, um endlich ihren insgeheimen Traum zu verwirklichen.

Natürlich versuchten alle in ihrem Umfeld, ihr den Traum auszureden: Ein Café. Weil es nicht schon genug Cafés gibt. Und dann noch selbstständig. Bei der wirtschaftlichen Lage. Reiner Selbstmord.

Lizzy gab nichts auf diese Stimmen, die von außen auf sie einprasselten. Auch wenn die Stimme ihrer Mutter am lautesten war, die ihr sagte, sie solle doch etwas Vernünftiges machen. Obwohl Lizzy in diesem Moment Zweifel aufkamen, wusste sie, dass sie nur auf eine Stimme hören würde: Ihre innere Stimme. Sie war die einzige Stimme, die ihr Mut zuredete und fest an sie glaubte. Auch wenn es um sie herum keiner tat, so tat sie es in ihrem Inneren.

Als sie vor ihrem Finanzplan saß, in ihrer Wohnung, die sie sich bald nicht mehr leisten konnte, kamen ihr ernsthafte Zweifel auf. Sie zerriss den Plan, holte sich eine Flasche Weißwein und setzte sich auf dem Balkon, um die letzten Sonnenstrahlen des Tages zu genießen, während in ihr ein strömender Regen herrschte.

Jeder Traum beinhaltet auch dessen Scheitern.

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Vier der Münzen (3. Teil)


Quelle: A.E.Waite Tarot

Lizzy klammerte sich einen Tag später an die Hoffnung ihn wieder im Café zu begegnen. Doch als sie alleine dort saß, war er nicht in Sicht.

Sie bestellte sich eine Tasse Tee mit Himbeergeschmack. Als sie auf ihre Bestellung wartete, erwischte sie sich dabei, wie ihr Blick immer wieder zur Tür wanderte. Nach einer Weile kam die Kellnerin und stellte ihr die Tasse Tee hin. Der fruchtige Geruch ließ Lizzys Anspannung auflösen. Sie pustete ihn an. Als sie daran nippte, schreckte sie vor dem heißen Schmerz zurück. Sie ließ ihn noch eine Weile stehen und ihre Nervosität kam zurück. Ihr Blick sah eine Gestalt die Türe hereintreten. Sofort starrte sie dorthin und merkte schließlich wie sie enttäuscht zusammensank. Inzwischen kühlte sich die Tasse ab und sie tippte unruhig mit dem Finger dagegen.

Es verging eine halbe Stunde bis Lizzy ihren Tee ausgetrunken hatte und ihre Hoffnung löste sich in Luft auf. Hier würde sie ihn nicht wiedertreffen.

Nachdem sie bezahlt hatte, verließ sie den Ort der Begegnung wieder und ging ihren gewohnten Weg nach Hause, wo ihr eigenes, persönliches Reich bereits auf sie wartete.

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3. Brief an die Liebe meines Lebens

Liebe meines Lebens,

bist du gläubig? Ich nicht. Was nicht heißen soll, dass ich verschlossen bin. Dinge, die man nicht Beweisen kann, sind eben rätselhaft. Ich habe meine Zweifel. Trotzdem schließe ich sie nicht aus.

Der Grund, warum ich aus reiner Neugier eine Rückführungsmediation gemacht habe. Danach sollte man sich an sein früheres Leben erinnern.

Meine Vorstellung von Leben und Tod sah in der letzten Zeit meines Lebens wie folgt aus: ich dachte, dass weder vor dem Leben etwas, noch danach etwas kommt. Ein großes Nichts, was einen zu verschlingen droht, sobald der letzte Atemzug einen verlässt. Genauso wie Aristoteles seinem Lehrer Platon widersprochen hatte, da Platon an eine wiedergeborene Seele glaubte, was Aristoteles wiederum bestritt, so glaubte ich nicht an Reinkarnation. Die Seele, die heutzutage eher als Bewusstsein bezeichnet wird, erschien mir vergänglich und nicht ewig.

Ob mein Unterbewusstsein diese Bilder kreiert hatte oder es sich dabei wirklich um mein früheres Leben handelte, weiß ich nicht. Aber bei der Rückführung kamen unterschiedliche Bilder auf. Wie ich als achtjähriger Junge an einem See stand und ein toter Fisch an das steinige Ufer herangespült wurde.

Danach erinnere ich mich an die wohl ausgeprägteste Erinnerung.

Eine Frau in einem roten Gewand mit einem halb zugebunden Kopftuch schaute mich in einer betriebsamen Gasse an. Ich nahm das Geschehen um mich herum nicht wirklich war, sondern nur die tiefen blauen Augen in ihrem hellen Gesicht. Eine Verbundenheit, die wohl die einprägsamste Erinnerung aus diesem Leben ist. Neben diesem äußerlichen Einfluss, spürte ich die ganze Zeit das Kratzen meines Bartes.

Während sie weiterging, blieb ich kurz stehen und schaute ihr nach. Sie schaute mir beim Weitergehen noch eine Weile in die Augen.

Eine andere Erinnerung war ein Raum über dessen Tür ein Kreuz hing. Ein todkranker Junge lag in einem Bett. Ich verabreichte ihm Medizin. Obwohl ich diesen Jungen heilen wollte, fühlte ich mich fehl am Platz. Als wollte ich noch was anderes machen, als das Leiden anderer Menschen zu sehen.

Ich schaute in einen Spiegel. Neben dem Bart, trug ich einen Hut mit Federn. Von der Seite sagte jemand meinen Namen. Albert. Es ist das Jahr 1639. Die Sprache ist weder Deutsch noch Englisch, sondern eine eigenartige Mischung. Niederländisch. Wer war diese Frau, die meinen Namen sagte? Vielleicht meine Frau? Aber nicht jene Frau aus der Gasse.

Das war es. Bei meiner Rückführung hatte ich zwei Kugeln gesehen. Jede stand für ein Leben. Ich hatte mich für diese Kugel entschieden. Vielleicht, weil es das Leben war, welches ich zuletzt gelebt hatte.

Ob es nur eine Geschichte meines Unterbewusstseins oder eine wirkliche Erinnerung war, spielt keine Rolle. Ich schließe keins von beidem aus. Trotzdem frage ich mich, wieso mich die Seele jener Frau so berührte. Es ist als wäre es genau die Seele, nach der meine Seele sucht. Sie ist mir in diesem Leben noch nicht begegnet.

Der Romantikerin in mir gefällt die Vorstellung, du könntest jene Seele sein. Zwei unvollständige Seelenteile, die sich in jedem neuen Leben wiederfinden müssen. Eine Liebe, die durch alle Zeiten hinweg existiert. Immer wieder auf der Suche nach dem anderen Teil. Zueinander geleitet vom Leben, ohne es zu wissen. Der eine Teil Yin, der andere Teil Yang. Jeder trägt einen Teil des anderen schon in sich.

Erinnerst du dich?

In Liebe

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