Lizzy streichelte Olafs Rücken, während er zusammengerollt neben ihr auf dem Sofa lag. Im Fitzgerald waren am Dienstagmorgen nur die ältere Dame Patty und ein weiterer Gast im Laden.
Patty bat Lizzy, ihr Gesellschaft zu leisten, während sie gemütlich ihren entkoffeinierten Kaffee trank. Lizzy setzte sich zu ihr. Als sie Olaf streichelte, merkte sie wie eine warme Welle ihren Körper durchfuhr. Das Café, die Katzen, ihre Gäste. Sie hatte alles, was sie sich erträumt hatte.
„Hast du einen Freund?“, fragte die ältere Dame Patty sie direkt. Lizzy hatte bereits bemerkt, dass Patty nie lang drum herumredete.
„Nein“, schüttelte Lizzy leicht den Kopf. Patty schaute sie geradewegs an, während sie noch einen vorbereitenden Schluck trank. Lizzy ahnte bereits, dass ihr Patty wieder eine Geschichte aus ihrem Leben erzählen würde.
„Ich hatte mehr als einen. Einer blieb mir besonders in Erinnerung: mein erster Freund Richard. Wir waren so jung und verliebt. Es war eine verbotene Liebe, zumindest tolerierten meine Eltern ihn nicht als meinen Freund. Er fuhr Motorrad, schwänzte die Schule, war ein allgemeiner Problemjunge. Nichts, was man sich für eine vornehme Tochter aus einem Juristenhaus vorstellte. Also verbaten sie mir, mich mit ihm zu treffen. Ich, junges Ding, tat es trotzdem heimlich. Meine frühere beste Freundin Luise stand für mich ein und behauptete ich sei bei ihr. Bis eines Nachts mein Vater ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Meine Mutter wollte mich bei Luise abholen. Aber ich war nicht da. Luise gestand ihr, nachdem sie erfahren hatte, was passiert war, bei wem ich war. Meine Mutter holte mich bei Richard ab. Während wir ins Krankenhaus fuhren, sprach sie kein Wort mit mir.
Im Krankenhaus ging es meinem Vater wieder besser. Er hatte einen kurzen Herzanfall erlitten, lebte danach noch weitere sieben Jahre, bevor sein Herz komplett versagte.
Seit dieser Nacht verbaten mir meine Eltern , außer zur Schule hin und zurück, das Haus zu verlassen.
Ich erinnerte mich noch, wie wütend ich darüber war. Als mein Vater aus dem Krankenhaus wieder nach Hause gekommen war, lief ich in jener Nacht weg. Ich lief zu Richard und sagte ihm, wir sollten abhauen. Er strich mir meine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie fiel mir damals öfters ins Gesicht und er strich sie jedes Mal wieder zur Seite.
Er sagte, in Ordnung. Wir fuhren mit dem Motorrad Stadt um Stadt. Sieben Tage lang. Es war Sommer und wir übernachteten unter freiem Himmel.
Am siebten Tag fielen wir an der Landesgrenze auf. Meine Eltern hatten eine Vermisstenanzeige aufgegeben, sodass sie mich meldeten.
Danach war das Zuhause ein bloßes Gefängnis für mich. Richard wurde zum Zivildienst eingezogen und wir sahen uns nie wieder.
Ich hatte mehr als einmal versucht ihn zu finden, aber vergeblich. In seinem Haus, wo er alleine mit seiner Mutter gelebt hatte, wohnte bereits jemand anderes. Er war aus meinem Leben verschwunden.“
Lizzy, die gebannt zugehört hatte, wurde schwer ums Herz.
„Nie wieder?“, fragte sie wehmütig. Sie dachte an ihr eigenes Schicksal. An den Mann aus dem Café.
„Nur einmal. Ich ging an der Straße entlang und er ging auf der anderen Straßenseite. Ich hielt Hand mit meinem damaligen Ehemann. Ob er mich auch gesehen hat, weiß ich nicht. Nach unserer gemeinsamen Reise hatten wir nie wieder ein Wort miteinander gewechselt.“
Lizzy fiel es schwer, dieses Ende zu akzeptieren.
„Wir sollten ihn finden.“ Patty schüttelte den Kopf.
„Nein. Wahrscheinlich ist er verheiratet. Vielleicht auch schon gestorben. Nicht alle Pfade führen wieder zueinander. Manche Pfade im Leben sind dafür bestimmt sich nur einmal zu kreuzen. Unser Zeitpunkt liegt bereits weit zurück in der Vergangenheit.“ Patty nahm den letzten Schluck aus ihrer Tasse. Dann kramte sie aus ihrer kleinen lackroten Tasche ihr Portmaine und legte einen Schein auf den Tisch, bevor sie aufstand.
„Stimmt so. Ich komme die Tage wieder.“ Dann verschwand sie durch die Tür in den Gang, der schließlich zur Ein- und Augangstür führte.
Lizzy dachte noch eine Weile über Pattys Geschichte nach, während sie anfing Olaf am Hals zu kraulen, was er mit einem entspannten Kopfstrecken entgegennahm.
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