Zigarettenrauch

Gewidmet an meine Großeltern

Sie hörte das Knacken des Plattenspielers. Stand by me sang Ben E. King im Hintergrund, während er in dem kleinen Wohnzimmer mit brauner Blumenmustertapete auf sie zukam. Galant legte er einen Arm um ihre Hüfte und griff mit seiner anderen freien Hand, die ihre. Die letzten Wochen mit ihm fühlten sich an wie ein einziger Film. Als sie auf dem Dorffest durch ihre beste Freundin aneinander vorgestellt wurden, waren sie beide hin und weg voneinander. Sie konnten kaum die Finger voneinander lassen. Er führte sie tanzend durch das Wohnzimmer. Sie lächelte vergnügt und ließ sich nur zu gerne von ihm umherwirbeln.

„Wir sollten heiraten, findest du nicht auch?“, fragte er sie, nachdem er sie nach einer Drehung wieder zu sich zurückzog. Sie schnappte nach Luft.

„Was? Jetzt schon? Machst du jeder Frau so schnell einen Antrag?“ Ihre Stimme zitterte vor Nervosität.

„Nicht jetzt. Aber eines Tages würde ich mich sehr darüber freuen, der Mann an deiner Seite sein zu dürfen.“ Dann drehte er sie erneut herum. Als er sie diesmal zu sich zog, stahl er sich einen Kuss von ihr. Wie so oft in den letzten Wochen. Sie genoss jeden einzelnen davon. Nachdem das Lied vorbei war, setzten sie sich auf das braune Stoffsofa. Sie nahm eine Zigarette aus ihrer Zigarettenschachtel und bot ihm auch eine an. Er schüttelte den Kopf.

„Du weißt doch, ich rauch eine andere Marke“, erklärte er und zückte eine eigene Schachtel aus der Tasche seines Jacketts.

„Ich weiß. Ich wollte nur wissen, ob du es auch noch weißt“, neckte sie ihn. Er kniff sie leicht spielerisch in die Seite.

„Du bist frech“, kommentierte er mit einem sanften Lächeln. Dann steckte er sich die Zigarette in den Mund und beugte sich zu ihr vor. Sie zündete das Feuer an und hielt es an seine Zigarette, die davon anfing zu brennen.

„Nicht so frech, wie du“, konterte sie zurück. Anschließend steckte sie sich ihre eigene Zigarette in den Mund und zündete sie an. Eine Weile saßen sie schweigend da, während der Rauch der Zigaretten in die Luft hinaufstieg. Die Asche tippten sie auf den Aschenbecher ab, welcher auf dem hölzernen Wohnzimmertisch stand.

„Wenn du mich heiraten willst, willst du dann auch Kinder mit mir?“, fragte sie ihn beiläufig.

„Ein Haufen Kinder“, sagte er wie eine Selbstverständlichkeit. Sie musste lächeln. Das liebte sie so zwischen ihnen. Die großen Worte wurden nebenbei gesagt, als seien sie selbstverständlich. Daran erkannte sie sie. Die Liebe zwischen ihnen. Sie brauchten keine großen Gesten, um sich ihre gegenseitigen Gefühle zu gestehen. Es reichten diese kleinen beiläufigen Bemerkungen, die ihre Liebe zu etwas Besonderes machten.

„Und du glaubst wirklich mein Vater wird das Gutheißen?“, fragte sie ihn mit einem schiefen Grinsen.

„Was? Das wir einen Haufen Kinder machen?“ Sein Blick wanderte irritiert zu ihr.

„Nein, dass du mich heiratest“, erklärte sie ihm. Er blickte sie einen Moment schweigend an. Dann reckte er sein Kinn in die Höhe.

„Das soll er mir erstmal verbieten!“ Sie rauchten schweigend an ihren jeweiligen Zigaretten weiter bis nur noch Stummel übrig blieben, die sie schließlich im Aschenbecher ausdrückten.

„Wir sollten gleich damit anfangen, findest du nicht?“ Sie schaute ihn mit einem schelmischen Blick an. Er hingegen blickte sie ahnungslos an.

„Womit? Mit dem Heiraten?“

„Nein, mit dem Kinder kriegen.“ Da blitzte etwas in ihm auf. Mit seinen Lippen formte er ein tonloses Oh, bevor er auf dem Sofa zu ihr rückte. Er fing sie schließlich an zu küssen, während er seine Hand vorsichtig unter ihr Kleid schob. Sie küsste wild entschlossen zurück und griff umgekehrt mit ihrer Hand unter sein Oberteil.

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Das Verschwinden des Windes

Du bist verschwunden in der Ferne. Wie ein Sommerwind, unstetig, nicht greifbar, ziehst du einfach weiter. Ohne etwas mitzunehmen. Nur deine Sehnsucht nach dem, was du hinter dir gelassen hast, trägst du bei dir. Wie ein Gewand versuchst du dein wahres, inneres Wesen zu verstecken. Deine Sehnsucht, deinen Schmerz. Als würde es ihn nicht geben. Doch ich konnte für einen kurzen Augenblick in dein inneres Sehen. Ich habe es erkennen dürfen. Deine Einsamkeit vor der du flüchtest. Als könnte sie dich verschlingen. Dabei hat sie dich doch schon zersetzt. Dein Schmerz hält dich am Leben, nicht wahr? Ich kann ihn in den Falten deines Gesichtes sehen. Wie Graben hat er deine Landschaft geprägt. Ich möchte dort in deinen Augen noch eine Weile versinken. Doch du bist der Wind. Man spürt dich nur einen Moment, bevor du wieder in der Weite verschwindest. Und ich weiß, ich kann dich nicht aufhalten. Ich versuche es gar nicht erst. Stattdessen lasse ich dich weiterwehen, in der Hoffnung du würdest früher oder später noch einmal in mein Gesicht wehen, nur um mal kurz „Hallo“ zu sagen. Und so spüre ich nur die Erinnerung einer Brise auf meiner Haut, während der Wind schon längst fort ist.

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Die Worte der Vergangenheit – Eine Kurzgeschichte

Linda hielt den Brief in ihren Händen. Er musste was Besonderes sein, dachte sie sich und las ihn Zeile für Zeile. In eine Geschichte, ein Leben eintauchte, welches nicht Ihres war. Am Ende entfuhr ihr ein Lächeln. Sie fühlte sich für einen kurzen Moment wie etwas Besonderes, war sie doch die Adressatin des Briefes in ihrer Hand. Sie erwischte sich dabei, wie sie einige Zeilen nochmal lesen, als würde irgendwas verstecktes Dazwischen stehen. Doch waren es nur Worte. Rein, klar. Und doch wie ein unausgesprochenes Geheimnis.

Sie wollte den Brief gerade in die Briefbox in ihre Schublade legen, als sie den Brief von der Person sah, die ihr davor das letzte Mal geschrieben hatte. Sie kramte ihn raus und fing ihn an zu lesen. Das Für Immer in ewiger Liebe stand dort versprochen. Ein zynisches Lächeln umspielte ihre Lippen. Das war wohl nicht ganz so eingetroffen, dachte sie sich. Sie wollte den Brief ihres ehemaligen Geliebten wieder zurückstellen, als dahinter einen weiteren Brief fand. Sie nahm ihn heraus. Es folgten zwei weitere Briefe vom gleichen Verfasser. Ihre Liebschaft davor, der ebenfalls von einer Liebe für immer gesprochen hatte. Plötzlich schmeckte sie den bitteren Beigeschmack der Briefe. Wie sie in den Momenten, wo sie diese las, dachte sie seien was Besonderes. Und davon ausging, dass auch sie wäre was Besonderes für die Verfasser. Wie konnte sie sich nur so täuschen?

Es waren alle Briefe, die sie noch hatte. Zwei Briefe hatte sie vor Jahren einst zerrissen. Die Briefe ihrer ersten Liebe. Sie hatte es irgendwann nicht mehr ausgehalten, wieder und wieder die Worte der Vergangenheit zu lesen, die nicht der Gegenwart entsprachen. Von der immerwährenden Liebe zu lesen. Davon was Besonderes zu sein. Denn sobald die Fassade bröckelte, sie Risse aufwies, war es vorbei. Die Neubesetzung ihrer Rolle war schneller da, als sie das Studio verlassen konnte. Und so schrieben ihre Verfasser schon neue Briefe von der immerwährenden Liebe an eine andere Adressatin, während sie noch an ihren alten, vergessenen Worten hing. Sie stellte die alten Briefe zurück in die Briefbox. Dann nahm sie den neuesten Brief in die Hand und hielt ihn kurz in der Hand, bevor sie ihn dahin legte, wo er hingehörte. Zu den Worten der Vergangenheit.

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